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Wildkaninchen

 

Lebensraum (Habitat) und Lebensweise 

Die gesellig in Familienverbänden lebenden Wildkaninchen sind auf mildes Klima mit geringen Schneehöhen sowie leichte Böden zur Anlage ihrer Baue angewiesen. Nasse Böden mit Stauwasser sowie große, geschlossene Wälder und Höhenlagen über 400 m Seehöhe werden von ihnen gemieden. Sie errichten ihre ganzjährig genutzten Baue bevorzugt an Waldrändern, in Knicks, Böschungen und parkartigen Landschaften.
Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus Kräutern, Gräsern und Wurzeln. In Nahrungswahl und -bedarf ist das Wildkaninchen eher anspruchslos und wenig spezialisiert. Dadurch sind Wildkaninchen in der Lage, sich neue Lebensräume zu erschließen.
Als sesshaftes Tier entfernen sie sich zur Nahrungssuche, die vorwiegend in der Dämmerung stattfindet, selten weiter als ca. 200 Meter von ihrem Bau. Die Baue werden von stark hierarchisch gegliederten Familienverbänden bewohnt, die selten aus mehr als etwa 7 Mitgliedern bestehen. Die ranghöchsten Tiere sind dabei für die Sicherheit verantwortlich. Mehrere Familienverbände schließen sich zu Kolonien zusammen, die mehrere hundert Tiere umfassen können. Dabei sind es die dominanten Männchen (Rammler), die in ihrem „haremsartigen“ Familienverband die Weibchen (Häsinnen) begatten und ihr Revier aggressiv gegen andere Rammler verteidigen.
Das Wildkaninchen hat eine extrem hohe Reproduktionsrate. Ein Häsin trägt zwischen Februar und August 3 bis 5, manchmal sogar 6 Würfe in einem Jahr aus, wobei die Größe des Wurfes stark variiert und zwischen 3 bis zu 10 Jungtieren liegen kann. Im Gegensatz zum Feldhasen werden die jungen Kaninchen nackt und blind in einem eigens zu diesem Zweck angelegten Teil des Baues, der sogenannten Setzröhre, geboren. Diese hat immer nur einen Zugang, während die Wohnbaue durch mindestens zwei Röhren erreicht werden können.
Das Wildkaninchen hat viele Feinde und bildet dort, wo es zahlreich vorkommt, die Nahrungsgrundlage für Raubsäuger und -vögel. Inzwischen sind die Bestände aufgrund verschiedener Seuchen zum Teil dramatisch zurückgegangen.

Vorkommen 

Das ursprünglich im Tertiär im heutigen Europa weit verbreitete Wildkaninchen konnte mit der Änderung des Klimas und dem damit verbundenen Vordringen des Eises aus dem Norden und aus den Gebirgen nur in Nordafrika und der Iberischen Halbinsel überleben. Von dort aus wurde es von den Römern wieder Richtung Norden und Osten verbreitet. In Deutschland gab es die ersten Belege der Art im 12. Jahrhundert. Auf dem schleswig-holsteinischen Festland wurde es erst Mitte des 19. Jh. eingeführt.
 
Durch das WildTierKataster wurde im Frühjahr 2003 eine Umfrage zum Vorkommen des Kaninchens durchgeführt. Das Kaninchen ist noch in ganz Schleswig-Holstein vertreten, auch wenn die Vorkommen in der Mehrzahl als „vereinzelt“ klassifiziert wurden. Großräumigere Lücken im Verbreitungsbild sind nur im Landkreis Plön zu verzeichnen.
 
Das Verbreitungsbild täuscht über den deutlichen Rückgang, den das Wildkaninchen im Laufe der letzten 20 Jahre erfahren hat, hinweg. Erst wenn auch die Besatzstärke berücksichtigt wird, zeigt sich der Rückgang. Starke Besätze gibt es nur ausnahmsweise, insbesondere im Küstenbereich. Eine Konzentration der intakten Populationen findet sich auf Fehmarn und dem östlichen Teil Nordoldenburgs.

Populationsentwicklung 

Seit der Ausbreitung des Kaninchens in Schleswig-Holsteins sind erhebliche Populationsschwankungen festzustellen gewesen. Das Festland war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kaum besiedelt. Dies begründet sich vor allem in der Angst der Menschen vor den erheblichen Schäden in Land- und Forstwirtschaft.
 
Erst ab etwa 1910 wurde das Kaninchen häufiger und die Auswilderungen wurden intensiviert, so dass sich im ganzen Land mehr oder weniger stabile Kolonien etablieren konnten.
Die Entwicklung der Bestände in Schleswig-Holstein muss jedoch wenigstens seit den frühen 50er Jahren als sehr wechselhaft bezeichnet werden. Ein gewaltiger Anstieg der Jagdstrecke auf ein Maximum von fast 280.000 erlegten Wildkaninchen im Jagdjahr 1956/57 wurde gefolgt von einem durch Myxomatose (einer eingeschleppten Seuche) verursachten Zusammenbruch der Populationen, die sich dann erst wieder Ende der 70er Jahre auf Streckenzahlen von über 200.000 Tieren erhöhten.
Die beiden Kältewinter von 1978 und 1979 führten zu einem zweiten deutlichen Rückgang der Jagdstrecke auf den bis dahin niedrigsten Wert von knapp 30.000 erlegten Kaninchen. Bis zum Anfang der 90er Jahre erfolgte eine Erholung der Populationen.
Seit Mitte der 90er Jahre begann ein sehr deutlicher Rückgang der Kaninchenstrecke, die dann zu Beginn des neuen Jahrtausends auf unter 20.000 bleibt. Das Kaninchen schafft es derzeit nicht, die Verluste auszugleichen und wieder wachsende Kolonien zu begründen. Ursache dieser beständigen Verluste ist die seit Anfang der 90er Jahre in Schleswig-Holstein erstmalig aufgetretene „Chinaseuche“ (Rabbit Haemorrhagic Desease, RHD), eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die schwerpunktmäßig im Spätsommer auftritt und große Teile der Population in kurzer Zeit tötet. Die Dramatik des Rückgangs zeigt eine regionalisierte Streckenauswertung. Besonders deutlich ist der Rückgang der Population im Westen Schleswig-Holsteins zu Beginn der 90er Jahre und von dort ausgehend Richtung Osten mit der Ausbreitung von RHD.
Es ist von einer weitgehenden Durchseuchung der Kaninchenpopulationen mit RHD in Schleswig-Holstein auszugehen. Dies bedeutet, dass die lokalen Erholungen der Bestände derzeit noch von sehr kurzer Dauer sein werden, da das Virus ständig vorhanden ist und damit jederzeit neue Seuchenzüge herbeiführen wird. Eine sich unter Umständen bildende Resistenz gegen den tödlichen Erreger, die nachhaltig die Immunisierung der Tiere erreicht, kann derzeit noch nicht erwartet werden. Auch eine teilweise diskutierte Impfung der Restbestände wäre aus Praktikabilitätsgründen nicht durchführbar.
 
Es bleibt zu hoffen, dass der Bestand des Wildkaninchens sich in den nächsten 10 Jahren wieder erholen kann. Die Überlebenschancen anderer, zum Teil seltenerer, Arten könnten durch die Verfügbarkeit von Wildkaninchen als Beute damit deutlich verbessert werden.

Status 

Obwohl das Wildkaninchen noch weit verbreitet ist, d.h. kein wesentlicher Rückgang im Verbreitungsraum zu verzeichnen war, ist sein Bestand im Verbreitungsraum, also die Anzahl der Tiere, stark zurückgegangen. Durch diesen starken Rückgang muss das Wildkaninchen als potenziell gefährdet eingestuft werden.
 
Eine akute Gefährdung des Fortbestandes der Art ist derzeit noch nicht gegeben. Dennoch wird das WildTierKataster die Bestandssituation beobachten.

Erfassung 2013

Im Rahmen des „Wildtier-Kataster Schleswig-Holstein (WTK SH)“, einem gemeinsamen Projekt von Landesjagdverband SH und Institut für Natur- & Ressourcenschutz, erfolgte 2013 die vierte landesweite Fragebogenaktion in den Jagdbezirken zur Erfassung der räumlichen Verteilung der Wildkaninchen, der Populationsdichten sowie der Jagdstrecken in Schleswig-Holstein. Gleichartige Erfassungen liegen aus den Jahren 1999, 2003 und 2008 vor.

Entwicklung der Jagdstrecken

Nach den Ergebnissen der Jagdstreckenerfassung Schleswig-Holstein MELUR (2013), kamen in den Jahren 1950 bis 1959 noch zwischen 250.000 und 280.000 Kaninchen zur Strecke. Im Jahr 1977 lag diese Zahl bei 234.000. Danach brachten die Schneewinter 1976 bis 1978 starke Populationseinbrüche, die zu Jagdstrecken von unter 35.000 Wildkaninchen führten.
Die Population regenerierte sich jedoch teilweise innerhalb von fünf Jahren und 1983 lag die Jagdstrecke bei ca. 120.000 Wildkaninchen pro Jahr. Die Jagdstrecke sank seitdem erneut. Im Jahr 2003 wurden noch 20.800 Kaninchen und in 2013 nur noch ca. 11.000 Wildkaninchen erlegt. Damit hat sich dieser indirekte Weiser der Populationsgröße, bzw. der Bejagungsintensität innerhalb von 30 Jahren auf etwa 10% reduziert.

 

Verbreitung in Schleswig-Holstein

Kaninchen kommen in 100 von 104 (96,2%) dargestellten Bezugsflächen („Hegeringe“) und damit im überwiegenden Teil Schleswig-Holsteins vor. Es gibt aber inzwischen größere zusammenhängende Gebiete ohne einen Nachweis von Kaninchen, insbesondere in den Landkreisen Plön und Lauenburg. Schwerpunktverbreitungsgebiete sind die westlichen Landkreise und die Landschaft Oldenburg im Osten (Abb.1).
Die insgesamt rückgesandten 979 Erfassungsbögen dokumentieren eine Beteiligung von 31,7% der Jagdbezirke (n (2012) = 3.115) in Schleswig-Holstein. Berücksichtigung in der Auswertung auf der Bezugsfläche „Hegering“ fanden aus Repräsentativitätsgründen (jeweils erforderlicher Mindestflächenanteil von 25% je Hegering) - 831 Stichprobenflächen (=Jagdbezirke), die einen Anteil von 30,3% (ca. 4283 km²) der bejagbaren Landesfläche abbilden.
Im Durchschnitt konnten jeweils 53,9% der beteiligten Hegeringe tatsächlich erfasst werden.

 

Vorkommen des Kaninchens in Schleswig-Holstein im Jahr 2013

Abbildung 1: Vorkommen des Kaninchens in Schleswig - Holstein im Jahr 2013

 

Im Zeitraum 2008 bis 2013 gab es in 503 Stichprobenflächen (82,9%) keine Veränderungen des Vorkommens. In 57 Stichprobenflächen (9,4%) erloschen die Kaninchenpopulationen. In 47 Stichprobenflächen (7,7%), in denen 2008 die Population erloschen war, konnten 2013 Kaninchen wieder nachgewiesen werden. Verglichen mit der Entwicklung zwischen 2003 und 2008 scheinen die Veränderungen geringer zu sein (MLUR 2009).
Die aktuellen Ergebnisse verzeichnen für die schleswig-holsteinische Kaninchenpopulation somit summarisch zwar nur minimale Arealverluste, jedoch regionale Abundanzabnahmen bis hin zur lokalen Extinktion.
Angrenzend an die Stichprobenflächen, die sowohl  2008 als auch 2013 ohne Kaninchenvorkommen waren, liegen 52,6% der neu in diesem Zeitraum erloschenen Vorkommen und lediglich 31,9% der wiederauftretenden Vorkommen (n = 74) innerhalb eines Pufferbereichs von 1000m um diese kaninchenfreien Gebiete. Daraus ergibt sich die Vermutung, dass an den regionalen Populationsgrenzen besonders wirksame Verlustursachen auftreten.

Rückgangsursachen

Die massiven Populationsverluste des Kaninchens in den letzten 30 Jahren beruhen auf verschiedenen Ursachen. Neben starken, landwirtschaftsbedingten Veränderungen der Agrozönose und stetig steigendem Prädationsdruck (Fuchs, Hauskatzen, Greifvögel …) spielen initial mit großer Wahrscheinlichkeit die Infektionskrankheiten Myxomatose und RHD (Rabbit haemorrhagic disease, „Chinaseuche“) die entscheidenden Rollen.
Eingehende Untersuchungen u.a. in Spanien, Großbritannien und Australien verzeichneten Populationsrückgänge nach Erstinfektion von freilebenden Kaninchenpopulationen mit viralen Krankheitserregern (RHD-Virus, Myxomatose-Virus, u.a.) von 60 % innerhalb eines Jahres. Derzeit liegen die Populationshöhen nach kontinuierlichen Rückgängen bei weniger als 10% der Populationsdichte vor der Erstinfektion – vergleichbar mit dem Rückgang in Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2013. Die Reinfektion mit RHD schon vorher betroffener Gebiete / Populationen hat geringere Mortalitätsraten zur Folge. Dieser Status scheint vermutlich gegenwärtig auch in den meisten Regionen Schleswig-Holsteins erreicht zu sein.
Die landesweiten RHD-Ausbrüche zu Beginn der 1990er Jahre waren initiale und entscheidende Ursache für das plötzliche Absinken auf regional extrem niedrige Populationsdichten der Kaninchen. Ein starker Prädationseinfluss (primär Fuchs) scheint derzeit im Ökosystem Schleswig-Holsteins als zentrale limitierende Stellgröße für die Kaninchenpopulation zu wirken, weil deren Populationsdichte krankheitsbedingt unter den kaninchenspezifischen Minimalwerte zur Erhaltung einer reproduktions-fähigen, stabilen Population abgesunken ist.
Die Art und Intensität der Bejagung des Kaninchens in Schleswig-Holstein nimmt derzeit keinen nachhaltig negativen Einfluss auf die Populationsgröße. Einerseits sinkt mit sinkender Populationsdichte der Beute der Jagddruck überproportional, weil der Aufwand für den menschlichen Jäger bei der Erbeutung stark überproportional steigt. Andererseits besteht das Interesse der Jagdwirtschaft und die gesetzliche Verpflichtung insbesondere darin, die Kaninchenpopulation derart zu bewirtschaften, dass eine ausreichend reproduktionsfähige und damit nachhaltig nutzbare Population bestehen bleibt. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass in 71% der Jagdbezirke in SH mit Kaninchenvorkommen, keine Bejagung durchgeführt und daher keine maßgebliche Mortalität verursacht wird - eine nennenswerte Bejagung erfolgt nur in starken Populationen (Abb. 2).

 

Abbildung 2: Lokalisation und Ergebnis der Bejagung (Jagdjahr 2012/13) und Vorkommen nach relativer Dichte der Kaninchen 2013

Abbildung 2: Lokalisation und Ergebnis der Bejagung (Jagdjahr 2012/13) und Vorkommen nach relativer Dichte der Kaninchen 2013

Autoren
Dr. Ulrich Fehlberg,
Heiko Schmüser
Institut für Natur- & Ressourcenschutz
Abt. Landschaftsökologie
Projekt Wildtier-Kataster Schleswig-Holstein
CAU Kiel

 

Literatur 

  • Durantel, Pascal. 2000: Jagd und Hege des Wildes. Deutsche überarbeitete Ausgabe. Köln.
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