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Wiesenweihe

Chr. Gahrau, H. Schmüser

 

Habitat und Lebensweise

Als Jagdgebiet wird vornehmlich offenes, wenig strukturiertes Gelände aufgesucht. Hier jagen die Vögel im – für alle Weihen charakteristischen – niedrigen Schaukelflug entlang von Gräben und Baumgruppen, aber auch über offenem Terrain. Als typischer Bodenbrüter werden die Horste vornehmlich in, bei der Ankunft der Weihen im Frühjahr, ca. 40 cm hohen Strukturen angelegt (vgl. Limin?ana, 2006).

Für den Zeitraum von 1965 bis 1980 (n = 404) gibt Looft (1981) die Nisthabitate für Schleswig-Holstein nach abnehmender Attraktivität noch in folgender Reihenfolge an:

... Flachmoor (Torfstiche in Hochmooren), Verlandungszonen von Seen, Getreidefelder, Wiesen, Hochmoor, Verlandungszonen der Nordsee (Spartina).“

Die heutige Situation stellt sich grundlegend anders dar und folgt damit einem Trend, im westeuropäischen Verbreitungsgebiet bei der Nistplatzwahl vermehrt Getreide zu nutzen. Nach Nutzungsh&aumlufigkeit ergibt sich für den Untersuchungszeitraum 1995–2006 folgende Reihenfolge der Bruthabitate: Getreide, naturnahe Flächen, Raps. Der Habitatanteil von Getreide und Raps beträgt zusammen fast dreiviertel, wobei allein rund 62 % auf Getreide entfallen. Der Rapsanteil beträgt immerhin 10 %. Insgesamt machen naturnahe Flächen einen Anteil von nur rund 27 % aus. Dieses Verhältnis ist für die Bewertung des Schutzstatus von entscheidender Bedeutung. Der dominierende naturnahe Habitattyp ist Brache/ Stilllegung, der alleine knapp den halben Anteil ausmacht. Es folgen Moorstandorte, Grünland und Verlandungsflächen zu jeweils annähernd gleichen Anteilen.

Die beschriebene Änderung der Habitatnutzung lässt sich für den untersuchten Zeitraum in Schleswig-Holstein gut nachweisen.  Die Abbildung zeigt, dass sich das Verhältnis kontinuierlich zugunsten der Bruten in Getreide und Raps verlagert hat. Bemerkenswert ist hier der zunehmende Anteil an Rapsbruten in den vergangenen Jahren.

Sollte sich die Anbaufläche für Energiepflanzen auf bisher stillgelegte Flächen ausdehnen, würde dies den Anteil von Bruten in naturähnlichen Flächen vermutlich weiter verringern. Abzuwarten bleibt, welchen Effekt eine derartige Veränderung der Anbaukultur auf den Anteil der verschiedenen Bruthabitate hätte.

Der Bruterfolg in den verschieden Habitattypen weist große Unterschiede auf. Als Indikator für den Erfolg des Brutgeschäfts wird hier die Differenz zwischen Teil- und Gesamtbruterfolg herangezogen. Ersterer Wert bezieht sich auf die Jungenzahl geteilt durch die Anzahl der erfolg- reichen Paare, bei letzterem wird die Zahl der Jungen durch die Gesamtzahl der Paare, auch der erfolglosen, geteilt.

Aus Abb. Fehler: Referenz nicht gefunden wird ersichtlich, dass nicht die Bruten in naturnahen Habitaten den höheren Bruterfolg garantieren, die Differenz ist hier ähnlich dem Durchschnittswert. Der höchste Bruterfolg ergibt sich in Getreide.

Den mit Abstand geringsten Bruterfolg bietet Raps. Viele Brutpaare geben den Horst auf, nachdem dieser von der schnellwachsenden Pflanze überwuchert wurde. Daraus erklärt sich auch der geringe Gesamtbruterfolg, den Bruten im Raps erreichten, während der Teilbruterfolg vergleichbar dem in naturnahen Habitaten ist.

Durchschnittlich ist ein Gesamtbruterfolg von 2,1 und ein Teilbruterfolg von 2,6 Junge/Paar festzustellen. Von Looft (1981) wird ein vergleichbarer Gesamtbruterfolg (2,0 Junge/Paar), allerdings ein höherer Teilbruterfolg (3,0) festgestellt. Die Untersuchungen von Clemens (1994) für den Zeitraum von 1990 bis 1994 ergeben mit 2,6 Junge/Paar einen vergleichbaren Teilbruterfolg, allerdings einen ungleich niedrigeren Gesamtbruterfolg von 1,4 Junge/Paar. Vermutlich ist dies auf die Effizienz der unten beschriebenen Schutzmaßnahmen zurückzuführen.

Vorkommen

Das Brutgebiet der Wiesenweihe umfasst die südwestliche Paläarktis, begrenzt durch Nordwestafrika im Süden und Südschweden über Südfinnland bis Mittelrussland im Norden. Der Gesamtbrutbestand beträgt rund 48 000 Paare. Zwischen den Siedlungsschwerpunkten Osteuropa und der Iberischen Halbinsel ist die Verbreitung nur noch lückenhaft.

Der mitteleuropäische Brutbestand wird mit rund 2300 Paaren angegeben, Deutschland ist Lebensraum für ca. 400 Paare (Mebs & Schmidt 2006).

Die schleswig-holsteinische Verbreitung konzentriert sich auf die an der Westküste gelegenen Marschbereiche Nordfrieslands, vor allem von Südtondern bis Husum, weiterhin Eiderstedt und die südlicheren Marschbereiche Dithmarschens sowie die Eider-Treene-Sorge-Region. Schließlich gibt es auch in den übrigen Landesteilen immer wieder einzelne Vorkommen. Nach Norden grenzt direkt das dänische Verbreitungsgebiet mit 45 Paaren an, von denen das Hauptvorkommen auf üdwestjütland konzentriert ist (Mebs & Schmidt 2006, Christensen & Rasmussen 1996). Im Gegensatz dazu ist die Verbreitung nach Süden lückenhaft, die nächsten Bestände befinden sich in Niedersachsen und den Niederlanden.

Während deutlich zu sehen ist, dass einige Regionen konstant hohe Dichten aufweisen, namentlich der Bereich Südtondern bis Husum und weitgehend auch die Vorkommen in Dithmarschen, gibt es weitere, in denen Verschiebungen sichtbar sind. Eiderstedt wies etwa im Jahr 2006 eine Verlagerung der Bruten von einem Schwerpunkt im Süden in den Norden und Westen auf, für die eine Erklärung bislang aussteht.

Noch weitgehender ist die Entwicklung in der Eider-Treene-Sorge-Niederung. Während in der Vergangenheit die Bruten meist in den Niederungsbereichen stattfanden, scheinen diese im Laufe der letzten Jahre an Attraktivität zu verlieren. Stattdessen finden sich vermehrt Bruten am angrenzenden südlichen Rand und den zentralen Bereichen der Husumer Geest. Das vermehrte Auftreten weiterer vereinzelter Bruten in den übrigen Landesteilen in neueren Erfassungen ist wohl eher auf eine Ausweitung des Beobachternetzes und eine erhöhte Sensibilisierung der Jägerschaft, als auf eine Ausbreitung zurück­zuführen.

Populations­entwicklung

Der schleswig-holsteinische Brutbe­stand ist seit 1966, mit wenigen Aus­nahmen, jahresweise erfasst worden (Looft 1981, Busche 1990, Clemens 1992, 1994, Fehlberg 1995, 1996, Hoffmann & Schmüser 2000, 2003) und schwankte in diesem Zeitraum zwischen 30 und 75 Brutpaaren. Zur Erklärung geht Looft (1981) von einem Zusammenspiel der drei Faktoren Nah­rungsverhältnisse, Nisthabitatsgüte und Witterungsverhält­nisse aus.

Für den Zeitraum von 1966 bis 2006 waren es im Mittel 44,2 Brut- bzw. Revierpaare, die in Schleswig-Holstein erfasst wurden. Nicht berücksichtigt wurden dabei Brutzeit­vorkommen. Damit liegt der Mittelwert der Jahre 1995 bis 2006 etwas höher, nämlich bei 53 Paaren. Ein langfristiger Trend lässt sich aufgrund der starken Schwankungen jedoch noch nicht nachweisen.

Gefährdung und Status

Der Großteil der Brutverluste im Zeitraum von 1995 bis 2006 ist auf natürliche Faktoren zurückzuführen. Hierzu zählen vor allem die Prädation, vornehmlich durch Krähen und Bodenprädatoren, aber auch Nahrungsmangel und Witterungseinflüsse. Einen Anteil von 17 % hat die Landwirtschaft (Abb. Fehler: Referenz nicht gefunden). Durch frühliegende Erntetermine werden die Jungvögel in den zahlreichen Getreidebruten kurz vor dem Ausfliegen ausgemäht.

Hier greift das „Artenhilfsprogramm Wiesenweihe“, welches durch das WildTierKataster koordiniert und begleitet wird. Es beinhaltet als ersten Schritt das frühzeitige Finden der Horste durch ehrenamtliche Mitarbeiter aus Jagd, Landwirtschaft und dem Naturschutz. Im Anschluss werden mit den betroffenen Landwirten Schutzverträge abgeschlos- sen, die das Stehen lassen einer Bannfläche um den Horst beinhalten. Im Gegenzug werden den Nutzern Entschädigungszahlungen aus Mitteln der Jagdabgabe gezahlt, die Fläche kann nach Ausfliegen der Jungen normal weiterbewirtschaftet werden.

Dieses Instrument hat zu einer positiven Sensibilisierung der Landwirte für die Art gesorgt und zu einem Sinken der Verluste im Brutgeschäft von 48 % vor 1990-1994 (Clemens 1994) auf den heutigen Wert von unter 20 % geführt (Hoffmann 2003).

Trotzdem die Wiesenweihe in Schleswig-Holstein keine negative Populationsentwicklung aufweist und die Verluste in der Landwirtschaft drastisch gesenkt werden konnten, kann von einem gesicherten Bestand nicht die Rede sein. Diese Einschätzung resultiert aus der Tatsache, dass der hohe Anteil der Bruten in landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen eine gestiegene Abhängigkeit der Art von menschlichen Aktivitäten bedeutet.

Literatur

 

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